Wissenschaft als politischer Beruf: Die Sustainable Development Goals als realistische Utopie.

Wissenschaft als politischer Beruf: Die Sustainable Development Goals als realistische Utopie.

Hahn, H. and Lepenies, R., 2017, April. Wissenschaft als politischer Beruf: Die Sustainable Development Goals als realistische Utopie. In Globale politische Ziele. Bestandsaufnahme und Ausblick des Post-2015 Prozesses. Lepenies P., Sondermann, E. (Hrsg.). Nomos. pp. 169-194
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Was sollte die unterstützende Rolle von Wissenschaftlerinnen im Post-2015-System sein? Ist es überhaupt zulässig, dass sich Wissenschaftler in dieser Weise engagieren und offen für bestimmte Werturteile einstehen?

In unserem Beitrag fragen wir zunächst nach der Zulässigkeit und den Motiven für wissenschaftliches Engagement (1). Klarer Weise liegt hier ein Spannungsverhältnis vor: Die Methode der Sozial- und Geisteswissenschaften zeichnet sich durch ihre Neutralität gegenüber politischen Werturteilen aus. Andererseits gibt es durchaus auch normative Ansätze, die überzeugende Argumente für ein Engagement von Akademikerinnen liefern, insbesondere wenn es um Gerechtigkeitsfragen geht – und die Themen Weltarmut und Nachhaltigkeit sind für uns Teil eines globalen Gerechtigkeitsproblems. Sichtbares Beispiel für einen Ansatz, der die moralische Verantwortung von Akademikerinnen betont, ist der Effektive Altruismus (EA) (2). Wir begrüßen EA prinzipiell, zeigen aber zwei Schwachstellen auf, die besonders in Bezug auf die Einordnung der SDG von Relevanz sind: die immer wieder monierte Unsensibilität für politisch-institutionelle Lösungen und ein zu positivistisches Wissenschaftsverständnis. EA begreift Weltarmut als ein Problem, das monomethodisch und vorrangig auf individualistischer Ebene gelöst werden kann. Dagegen setzen wir das Bild eines institutionellen Kosmopolitismus, der ein politisches, methodisch vielschichtiges und gesamtgesellschaftliches Engagement fordert (3). In diesem Bild sind die SDG nicht bloß Gegenstand nichtidealer Anwendungsfragen (4). Im Gegenteil, für uns sollte der SDG-Prozess als ein bahnbrechender Schritt im Rahmen der realistischen Utopie einer einigermaßen gerechten globalen Gesellschaftsstruktur angesehen werden (5). Wissenschaftlerinnen aller Disziplinen haben eine erhebliche Verantwortung, sich an dieser Entwicklung zu beteiligen.

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